„Die biologische Uhr tickt“ - sicherlich kennst Du diesen Spruch, der sich häufig an Frauen richtet. Die meisten beziehen sich damit auf das Thema Schwangerwerden. Doch was ist damit genau gemeint? Kann ich herausfinden, wo die Zeiger auf meiner biologischen Uhr stehen und was das für meinen Kinderwunsch bedeutet? Es gibt tatsächlich einen aufschlussreichen Marker, der Hinweise dazu liefert: Das Anti-Müller-Hormon (AMH). In diesem Artikel geht es darum, warum das Alter als einziger Indikator für Fruchtbarkeit nicht ausreicht und warum es sinnvoll sein kann, den AMH-Wert messen zu lassen. Außerdem möchte ich Dir Antworten auf die folgenden Fragen geben:

  • Was ist der AMH-Wert?
  • Was sagt er aus?
  • Wie lässt sich er sich messen?
  • Was bedeutet der AMH-Wert für meine Fruchtbarkeit?
  • Wann ist es sinnvoll, den AMH-Wert messen zu lassen?
  • Kann ich meinen AMH-Wert beeinflussen?

Was ist der AMH-Wert?

Der AMH-Wert gibt die Menge des Anti-Müller-Hormons im Blut an. Dieses Hormon wird ab der Pubertät in den Eierstöcken gebildet. Jeden Monat wachsen nun Follikel in den Eierstöcken heran. Du kannst sie Dir vorstellen wie Bläschen, die jeweils eine befruchtungsfähige Eizelle enthalten. Die Follikel sind von sogenannten Granulosazellen umgeben, die das Anti-Müller-Hormon produzieren. Aber welche Rolle spielt nun das AMH und was sagt mir sein Wert? Dazu komme ich jetzt.

Was sagt der AMH-Wert aus?

Der AMH-Wert gibt einen Hinweis darauf, wie viele Eizellen bei Dir „verfügbar“ sind. Verfügbar bedeutet, dass sie heranreifen können. Das Anti-Müller-Hormon spielt eine wichtige Rolle bei der Follikelreifung, indem es zum Beispiel ihr Wachstum steuert. Nur wenn Follikel mit einer befruchtungsfähigen Eizelle heranwachsen und es zum Eisprung kommt, kann es zu einer Schwangerschaft kommen. Das bedeutet, je höher die Konzentration des Anti-Müller-Hormons im Blut ist, desto größer ist die Anzahl der Eizellen, die Dir für einen Eisprung „zur Verfügung“ stehen. Heißt das jetzt, dass Du bei einem hohen AMH-Wert auch schnell schwanger wirst? Ganz so einfach ist es nicht. Was noch aus dem AMH-Wert abgeleitet werden kann (und was nicht!), darauf werde ich gleich noch eingehen. Davor möchte ich Dir noch kurz erklären, was es mit der Eizellenreserve auf sich hat.

Die Eizellenreserve einer Frau ist bereits bei ihrer Geburt angelegt. In der Pubertät enthalten die Eierstöcke etwa 300.000-500.000 unreife Eizellen. Mit der Follikelreifung werden dann jeden Monat Eizellen „an den Start“ geschickt und eine von ihnen schafft es dann zum Eisprung. In der Zeit von der ersten Monatsblutung bis zu den Wechseljahren (der Menopause), also in den fruchtbaren Jahren, kommen so etwa 400-500 Eizellen zum Eisprung. Die Eizellenverfügbarkeit verringert sich mit jedem Zyklus und somit auch mit steigendem Alter. Bis zum 30. Lebensjahr einer Frau ist sie im Schnitt stabil, danach nimmt sie kontinuierlich ab. Auch die Zahl der potenziell reifenden Follikel sinkt mit der Zeit. Das spiegelt sich auch im AMH-Wert wider, der geringer wird, je älter eine Frau ist. Wichtig ist an dieser Stelle, dass das bei jeder Frau in einem anderen Tempo passiert. Das wird hauptsächlich von der Genetik bestimmt. Bei den einen ist die Eizellenreserve bereits mit Mitte 30 erschöpft, bei anderen erst mit Mitte 40 oder sogar noch später. Auch der Eintritt in die Menopause schwankt von Frau zu Frau. Das Alter allein ist somit nicht der einzige Indikator für die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit sein.

Wie wird der AMH-Wert gemessen?

Der AMH-Wert wird über eine Blutuntersuchung gemessen. Der Test kostet etwa 50€ und wird in den meisten Fällen von den Krankenkassen bezahlt. Zusätzlich wird meistens noch der FSH-Wert (Follikel-stimulierendes Hormon) erfasst. Das geht zum Beispiel bei Deiner Gynäkologin oder Deinem Gynäkologen. Angegeben wird dann die Konzentration des Anti-Müller-Hormons in Nanogramm pro Milliliter Blut (ng/ml). Der Wert zeigt auf, ob Dein AMH-Wert für Dein Alter eher hoch, niedrig oder normal ist. Die Wertebereiche habe ich hier für Dich aufgelistet:

  • 1-5 ng/ml: Normalwert
  • 0,8 – 1,0 ng/ml: Eingeschränkte Eizellfunktion (Restfunktion)
  • < 0,7 ng/ml: stark eingeschränkte Restfunktion/ Menopause
  • > 5 ng/ml: Hinweise auf das PCO-Syndrom

Wenn der AMH-Wert kaum oder gar nicht mehr nachzuweisen ist, dann steht der Übergang zur Menopause an. Die endgültige Menopause ist dann ungefähr 3-5 Jahre später. Hier bleibt die Menstruation vollständig aus. Doch auch wenn eine Frau mit Mitte 40 noch regelmäßig ihre Periode hat, heißt das nicht automatisch, dass eine große Menge an potenziell befruchtungsfähigen Eizellen vorhanden ist. Du selbst kannst also nicht beobachten, dass sie abnimmt.

Mit dem Bluttest wird nun geschaut, ob Du für Dein Alter einen hohen, normalen oder niedrigen AMH-Wert hast. Geht Deine biologische Uhr voraus, dann ist Deine Eizellenreserve im Vergleich zu Deinem Alter also gering. Ein und derselbe Wert lässt sich damit nur schwer zwischen einer 20- und einer 40jährigen vergleichen. Warum das so ist, dazu komme ich jetzt.

Was sagt der AMH-Wert über meine Chancen, schwanger zu werden?

„Mein AMH-Wert zeigt an, dass meine Eizellenverfügbarkeit eingeschränkt ist. Kann ich jetzt nicht mehr schwanger werden?“ Ein niedriges Testergebnis kann im ersten Moment verunsichern, das ist verständlich. Denn wie wir bereits gelernt haben, kann es nur mit einer reifen Eizelle zu einer Schwangerschaft kommen. Bei einem Kinderwunsch hoffen natürlich die meisten, dass die Zahl entsprechend hoch ausfällt. Doch der AMH-Wert sagt erst einmal nur etwas über die Anzahl der verfügbaren Eizellen aus, nichts jedoch über deren Qualität. Ein kleiner Wert bedeutet also nicht, dass Du nicht schwanger werden kannst. Gleichzeitig bedeutet ein großer Wert auch nicht, dass es besonders schnell mit einer Schwangerschaft klappt. Es gibt zum Beispiel junge Frauen, bei denen es trotz einer größeren Menge verfügbarer Eizellen etwas länger dauert und ebenso gibt es 40jährige Frauen, die trotz niedrigem AMH-Wert schwanger werden.

Allerdings ist bekannt, dass auch die Qualität der Eizellen mit dem Alter abnimmt. Ihre Strukturen verändern sich und sie sind in ihren Funktionen eingeschränkt. Dadurch steigt das Risiko für Fehlgeburten oder die Entwicklung von bestimmten Krankheiten wie zum Beispiel dem Down-Syndrom. Wichtig ist an dieser Stelle, dass der AMH-Wert zunächst nur einen Anhaltspunkt über Deine Eizellenverfügbarkeit bietet. Er verrät aber leider nichts über die Qualität Deiner Eizellen oder darüber, wie Deine Schwangerschaft verläuft.

Wann ist es sinnvoll, den AMH-Wert messen zu lassen?

Nicht jede:r weiß mit Anfang 20, ob er oder sie Kinder haben und möchte und wann der passende Zeitpunkt dafür ist. Viele entscheiden sich dazu, mit der Familienplanung ein bisschen später zu starten. Sie möchten mit 30 vielleicht nochmal studieren oder auf Reisen gehen, vor dem Kinderkriegen beruflich aufsteigen oder Single sein. Es gibt also in einigen Lebensbereichen viel Spielraum, jedoch haben wir wenig Einfluss auf unsere biologische Uhr. Doch wie Du bereits gesehen hast, ist das Alter allein keine genaue Einschätzung Deiner Fruchtbarkeit.

Der AMH-Wert gibt einen Aufschluss darüber, wie es um Deine Eizellenverfügbarkeit bestellt ist und bietet damit eine erste Entscheidungshilfe bei der Familienplanung. Wenn Du weißt, ob Deine aktuelle Eizell-Verfügbarkeit altersentsprechend normal ist, kannst Du schätzen, wie viel fruchtbare Zeit Dir noch bleibt. Das kann vielleicht ein bisschen mehr Planungssicherheit geben. Allerdings kann es auch sein, dass Deine Kurve oder Deine Werte bis zu Deinem jetzigen Alter wie der Durchschnitt waren und Du in der Zukunft aber vom Durchschnitt abweichst. Darüber kann der Wert nichts aussagen und auch nicht über all die anderen Faktoren, die fürs Schwangerwerden relevant sind.  Zum Beispiel die Qualität der Samenzelle des Mannes oder Erkrankungen wie Endometriose, die das Schwangerwerden erschweren können. Wenn Du Dir unsicher bist, was für Deine persönliche Situation passend ist, komm in eine unserer Gruppensessions. Mit manchen Fragen können wir Dir direkt helfen und manche Sachen sortieren wir mit Dir zusammen für ein nächstes Gespräch bei Deiner Ärztin. 

Manche Frauen sind bereits mit Anfang 20 entschlossen, dass sie irgendwann Kinder haben möchten. In diesem Alter ist die Qualität der Eizellen am besten. Doch wie wir wissen, nimmt sie im Laufe der Zeit ab. Es kann deshalb eine Option sein, Eizellen einfrieren zu lassen. Denn wenn die Qualität der Eizellen bei einer Kinderwunschbehandlung besonders gut ist, dann ist sie umso aussichtsreicher. Die Kosten für das Einfrieren von Eizellen liegen allerdings deutlich höher als die Untersuchung des AMH-Wertes. Den AMH-Wert testen zu lassen, kann somit eine sinnvolle Voruntersuchung sein, bevor Du Deine Eizellen einfrieren lässt. Unter bestimmten Umständen werden die Kosten für das Einfrieren von Eizellen von den Krankenkassen übernommen. Zum Beispiel bei Erkrankungen wie Endometriose oder Behandlungen wie Chemotherapien, da sie die Eizellenreserve oder die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit beeinflussen können.

Und noch ein letzter wichtiger Tipp zum Testen: „Die Pille“ bzw. hormonelle Verhütung können den AHM-Wert „runterdrücken“. Für einen besonders aussagekräftigen Testwert besprichst Du am besten mit Deiner Ärztin, ob oder wie lange vor dem Test Du Deine hormonelle Verhütung aussetzen kannst.

Eizellenreserve und Kinderwunschbehandlung

Für eine künstliche Befruchtung (z.B. IVF oder ICSI), werden zunächst Eizellen gewonnen. Die Frau nimmt dafür bestimmte Medikamente ein, wodurch ihre Eierstöcke stimuliert werden. Bei einem hohen AMH-Wert benötigt die Frau eine geringere Dosis an Medikamenten, um die Eierstöcke zu stimulieren, bei einem niedrigen Wert eine höhere Dosis. Der AMH-Wert dient außerdem als Anhaltspunkt dafür, wie erfolgsversprechend eine künstliche Befruchtung ist. Bei einem sehr niedrigen AMH-Wert (< 0,7ng/ml), werden im Schnitt pro Zyklus nur noch zwei Eizellen gewonnen. Zusätzlich zur Blutuntersuchung werden mit einer Ultraschalluntersuchung die Follikel in den Eierstöcken gezählt. Diese Untersuchung findet meist zu Beginn des Menstruationszyklus statt, wenn Follikel heranreifen und sie ist damit eine Ergänzung zur Einschätzung der Eizellenreserve. 

Kann ich meinen AMH-Wert beeinflussen?

Der AMH-Wert als zuverlässiger Schätzer für die Eizellenverfügbarkeit - da wäre es doch praktisch, wenn Du ihn irgendwie beeinflussen könntest. Doch wie Du gelesen hast, ist die Menge an Eizellen bereits bei Deiner Geburt festgelegt. Und auch, wie schnell diese Reserve aufgebraucht ist, wird hauptsächlich von der Genetik bestimmt. Die Eizellenreserve und auch die Qualität der Eizellen hängen stark vom Alter ab und das können wir leider nicht aufhalten. Es gibt also keine Wunderpille, die den AMH-Wert erhöht und Deine Fruchtbarkeit verbessert. Es gibt aber ein paar Faktoren, die mit einem niedrigen AMH-Wert in Verbindung stehen. Ein paar habe ich Dir hier aufgezählt:

  • Rauchen: Raucherinnen haben im Schnitt einen niedrigeren AMH-Wert als Nichtraucherinnen.
  • Die Anti-Baby-Pille: Wenn Frauen die Pille nehmen, ist ihr AMH-Wert um bis zu 30% niedriger als bei Frauen im gleichen Alter. Nach dem Absetzen normalisiert sich der Wert wieder. Das kann bis zu zwei Monate dauern.
  • BMI: Frauen mit Übergewicht haben ein deutlich niedrigeres AMH-Level als normalgewichtige Frauen. Auch Untergewicht kann Auswirkungen auf den Zyklus und die Fruchtbarkeit haben. 
  • Hin und wieder wird die Einnahme von Vitamin D oder dem Hormon DHEA empfohlen. Ob sich so die Abnahme der Eizellreserve verlangsamen lässt, ist aber nicht erwiesen. Wenn Du Fragen zu dem Thema hast, komm in unsere Gruppensessions oder mache einen Termin bei Deiner Frauenärztin. 

Zum Schluss fasse ich Dir hier nochmal alles Wichtige zum AMH-Wert zusammen:

  • Der AMH-Wert lässt sich mit einer Blutuntersuchung erfassen. Er gibt einen zuverlässigen Hinweis auf die Menge an reifungsfähigen Eizellen, Deine Eizellenverfügbarkeit.
  • Die Eizellenreserve einer Frau ist bereits bei ihrer Geburt festgelegt. Sie verringert sich, je älter eine Frau wird. Wie schnell das passiert, ist vor allem genetisch festgelegt und bei jeder Frau unterschiedlich.
  • Der AMH-Wert sinkt also dem Alter: Je weniger reifungsfähige Eizellen es gibt, desto weniger Anti-Müller-Hormon wird produziert und ist im Blut nachweisbar.
  • Der AMH-Wert sagt nur etwas über die Anzahl, aber nichts über die Qualität der Eizellen aus. Ein niedriger Wert bedeutet also nicht, dass Du nicht schwanger werden kannst.
  • Die Untersuchung des AMH-Werts ist mit 50€ relativ günstig und die Kosten werden in den meisten Fällen von den Krankenkassen übernommen. Das Wissen um Deine Eizellenverfügbarkeit kann eine erste Entscheidungshilfe in der Familienplanung sein. Über das Vorgehen und die Ergebnisse sprichst Du am besten mit Deiner Gynäkologin oder Deinem Gynäkologen.

„40 ist die neue 30“ oder eher „wo ist die Zeit geblieben?" Die Antwort ist vermutlich ein: Es kommt drauf an. Wenn es um die Frage geht, ob Du nochmal studieren möchtest oder auf Reisen gehst, sind Dir weniger die Hände gebunden als bei der Frage, wie lange Du fruchtbar bist. Den eigenen AMH-Wert zu kennen, liefert keine 100%ige Sicherheit, ob oder wie schnell Du schwanger werden kannst. Als zuverlässiger Schätzer für Deine Eizellenverfügbarkeit kann er Dir aber zumindest einen erste Entscheidungshilfe bei der Familienplanung geben.

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