Fehlgeburt - was tun?

Sally Schulze
Sally ist Diplompsychologin, approbierte Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie und Expertin für Frauenheilkunde. Als Mitgründerin von MentalStark liegt ihr jedes Paar mit Kinderwunsch und Fehlgeburt am Herzen.

Obwohl Fehlgeburten leider recht häufig vorkommen, sind sie nach wie vor ein Tabuthema. Dadurch sprechen viele Frauen nicht darüber und fühlen sich mit diesem Lebensereignis sehr allein. Oft wissen sie auch nicht, an wen sie sich in einer solchen Situation wenden können, gerade wenn sie sich Unterstützung wünschen. In diesem Artikel geht es um folgende Fragen:

  • Was ist eine Fehlgeburt eigentlich? 
  • Wie häufig passieren Fehlgeburten? 
  • Was sind mögliche Ursachen?
  • Was kann ich tun, wenn ich denke, dass eine Fehlgeburt droht? 
  • An wen kann ich mich wenden, wenn mir das alles zu viel wird?
  • Wie komme ich mit meinen Gefühlen klar?
  • Wie kann ich in meinem Umfeld mit der Fehlgeburt umgehen?
  • Wie kann ich auf der Arbeit mit meiner Fehlgeburt umgehen? 
  • Wie kann ich in meiner Beziehung mit der Fehlgeburt umgehen? 
  • Wie steht es um eine weitere Kinderwunschbehandlung nach einer Fehlgeburt?

Wenn Du diesen Artikel liest, dann hattest Du vielleicht selbst eine Fehlgeburt und bei Dir eine Ausschabung gemacht wird. Dann findest Du hier mehr Informationen dazu:

Ausschabung, Abrasio, Kürettage – alles, was Du wissen solltest

Vielleicht liest Du diesen Artikel aber auch, weil eine Freundin eine Fehlgeburt hatte, und Du Dich informieren willst. Hier findest Du Hilfestellungen, wie Du zu Deiner Freundin sagen kannst (und was besser nicht):

Meine Freundin hatte eine Fehlgeburt – was kann ich zu ihr sagen?

Jetzt geht es los mit den Informationen zu den Fragen von oben.

Was ist eine Fehlgeburt eigentlich?  

Das Wort Fehlgeburt wird dem, was im Körper passiert, nicht gerecht. Deswegen verwenden viele Betroffene die Begriffe „kleine Geburt“ oder „frühe Geburt“. Ich spreche hier ganz bewusst von Betroffenen, denn eine Fehlgeburt betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Partner:innen und manchmal auch andere Angehörige. Die Begriffe „kleine Geburt“ und „frühe Geburt“ kommen dem Vorgang näher. Sie bringen stärker zum Ausdruck, dass es sich um einen Verlust handelt, und nicht um einen Fehler, den die Schwangere gemacht hat. Manchen hilft es mit der Fehlgeburt umzugehen, wenn sie stattdessen von einer kleinen oder frühen Geburt sprechen. Es kann auch helfen, dem verstorbenen Baby einen Namen zu geben oder Begriffe wie Stern, Sternchen oder Sternenkind zu verwenden, wenn sie darüber sprechen. Jetzt komme ich dazu, was unter dem Begriff „Fehlgeburt“ medizinisch verstanden wird. Das ist eine sehr sachliche Definition, weil einfach Kriterien festgelegt werden müssen. Das zu lesen ist nicht für jede:n hilfreich und wenn Du das Gefühl hast, das belastet Dich emotional, dann überspringe die nächsten beiden Absätze und lies bei „Wie häufig passieren Fehlgeburten?“ oder „Was können mögliche Ursachen sein?“ weiter.

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Mediziner:innen sprechen bei einer Fehlgeburt von einem Abort. Das klingt erstmal verwirrend, weil dieser Begriff auch für eine Abtreibung verwendet wird. Ein Abort ist eine vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft und das trifft rein sachlich auf eine Abtreibung und auf eine Fehlgeburt zu, auch wenn eine Abtreibung gewollt und eine Fehlgeburt ungewollt sind. Bei einer Fehlgeburt wird ein Fetus ohne Lebenszeichen vor der 24. Schwangerschaftswoche (SSW) oder unter 500 Gramm Gewicht „geboren“. Genauer gesagt spricht man bis zur 14.SSW von einem frühen Abort, zwischen der 15. und ca. 24. Schwangerschaftswoche von einem späten Abort. Ab der 24.SSW oder einem Fetus mit über 500 g Geburtsgewicht ohne Lebenszeichen spricht man von einer Totgeburt oder einer stillen Geburt. 

Grenzwerte zu definieren ist im medizinischen Bereich notwendig und es kann weh tun, dass wenn sehr sachlich mit einem sehr emotionalen Thema umgegangen wird. Jede Fehlgeburt ist sehr traurig und tut weh, ganz unabhängig davon, in welcher Schwangerschaftswoche sie passiert ist und welches Gewicht der Embryo oder Fötus hatte.

Wie häufig passieren Fehlgeburten?

Die allermeisten frühen Fehlgeburten passieren unbemerkt noch vor einer Einnistung. Unterschiedliche Studien zeigen, dass durchschnittlich zwischen 15 bis 30% aller Schwangeren eine Fehlgeburt haben. Größtenteils passieren frühe Fehlgeburten ganz zu Beginn in der 5./6. Schwangerschaftswoche. In dieser Phase selektiert „die Natur“ nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip bei Gendefekten natürlich aus. Das bedeutet, dass die allermeisten Frühaborte bei Embryonen passieren, die genetisch so ausgestattet sind, dass sie leider nicht entwicklungs- und lebensfähig sind.

Was sind mögliche Ursachen?

Nach einer Fehlgeburt stellen sich viele häufig Fragen wie:  Warum hatte ich eine Fehlgeburt? Bin ich schuld daran? Habe ich etwas falsch gemacht? Hatte ich zu viel Stress? Wird es wieder passieren? Sich diese Fragen zu stellen ist normal und verständlich. Wie oben beschrieben, sind fehlerhafte Entwicklungsvorgänge beim Embryo der häufigste Grund für Fehlgeburten. Es gibt nur wenige Verhaltensweisen, die das Risiko für eine Fehlgeburt erhöhen, z. B. rauchen.

Trotzdem fühlen sich viele schuldig, auch wenn Außenstehende das oft anders sehen. Manche denken, die Fehlgeburt durch Stress, Kaffeekonsum, Geschlechtsverkehr, eine lange Autofahrt oder einen Flug ausgelöst zu haben. Manche Frauen haben das Gefühl, dass ihr Körper versagt hat, und fühlen sich nach einer Fehlgeburt weniger wert. Gerade wenn Frauen eine lange Kinderwunschphase hinter sich haben, können solche Gedanken durch eine Fehlgeburt verstärkt werden. Wenn Du Dir Unterstützung beim Umgang mit solchen Gedanken wünschst, dann komm in unsere Onlinegruppe „Austausch Fehlgeburt“ und hol Dir Rat von einer Psychologin, Ärztin oder Kinderwunschberaterin.

Meistens kommen bei einer Fehlgeburt viele Dinge zusammen, die sich im Nachhinein und im Einzelfall auch nicht herausfinden lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um eine frühe Fehlgeburt vor der 12. SSW handelt. Es wird geschätzt, dass bis zu 80 Prozent der Fehlgeburten passieren, weil der Embryo sich nicht so entwickelt hat, dass er überlebensfähig ist. Das bedeutet, dass Fehlgeburten in den allermeisten Fällen nicht vorgebeugt werden kann. Wenn eine Fehlgeburt beginnt, kann sie auch nicht aufgehalten werden – auch nicht wenn ein Arzt oder eine Ärztin daneben steht.  Darüber hinaus können anatomische und hormonelle Ursachen zu einer Fehlgeburt führen, zum Beispiel Myome oder Stoffwechselerkrankungen, wie Schilddrüsenerkrankungen. Das sind Faktoren, die für die weitere Kinderwunschbehandlung eine Rolle spielen können und für die es auch Behandlungsansätze gibt. Auch Diabeteserkrankungen können eine Rolle spielen. Das Alter der Frau ist auch ein Risikofaktor. Mit zunehmendem Alter passieren mehr Fehler bei der Zellteilung. Das ist ganz normal und betrifft alle Körperzellen. Und es betrifft nicht nur die Zellen der Frau, sondern auch die des Mannes. Das führt aber eben auch dazu, dass der Embryo mit steigendem Alter der Mutter ein höheres Risiko hat, Fehler in seinem genetischen Bauplan zu haben. Es sind auch einige äußere Einflüsse bekannt, die das Risiko für eine Fehlgeburt erhöhen. Das sind aufsteigende Infektionen der Frau, Röntgenstrahlungen, Drogenkonsum, Alkohol trinken und rauchen. 

Hat eine Frau mehr als drei Fehlgeburten vor der 20. Schwangerschaftswoche, spricht man medizinisch von habituellen Aborten. Dann werden spezielle genetische Untersuchungen gemacht, die Gebärmutter auf Fehlbildungen untersucht sowie Tests auf hormonelle Störungen oder Stoffwechsel- und Gerinnungskrankheiten gemacht. Es kann belastend sein, von diesen diagnostischen Möglichkeiten zu wissen, wenn Deine Ärzt:innen Dir sagen, dass Du es „nochmal versuchen“ sollst, bevor diese Diagnostik gestartet wird. Leider ist das aktuell der Stand der Forschung und Medizin. Manche Betroffene entscheiden sich dann auch einzelne Untersuchungen als Selbstzahlerleistung machen zu lassen. Hier ist es wichtig, sich gut zu informieren, damit Du Dir nicht etwas aussuchst, das vielversprechend klingt, aber in Deinem Einzelfall nicht sinnvoll ist.

Was kann ich tun, wenn ich denke, dass eine Fehlgeburt droht?  

Es gibt keine zuverlässigen Symptome, an denen Du eine beginnende oder drohende Fehlgeburt erkennen kannst. Die Anzeichen können nicht nur individuell sehr unterschiedlich sein und unbemerkt bleiben, sondern auch unterschiedlich stark. 

Auch bei Blutungen kann es sein, dass das Herz des Fetus noch schlägt und die Plazenta keine Probleme hat. Das ist oft eine sogenannte drohende Fehlgeburt und dann bleibt in den meisten Fällen keine andere Option als Bettruhe und eventuell unterstützend Hormonmedikamente einzunehmen. Wenn Du schwanger bist und Blutungen hast, solltest Du direkt zu Deiner:m Gynäkolog:in oder in ein Krankenhaus gehen. 

Manchmal bemerken Schwangere bis zur Kontrolluntersuchung nicht, dass ihr Baby nicht mehr lebt. Das wird „missed abortion“ genannt, also eine unbemerkte Fehlgeburt. Wurde im Ultraschall noch kein Herzschlag gesehen und es ist nicht sicher, ob die Schwangerschaft intakt ist, kann das Beta-hCG im Blut bestimmt und der Verlauf beobachtet werden. Hat sich der Beta-hCG-Wert nach 48 Stunden nicht verdoppelt, bleibt er gleich oder nimmt ab, wird von einer Fehlgeburt ausgegangen. 

Eine Fehlgeburt muss körperlich beendet werden und dafür gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:

  • Möchte ich zu Hause abwarten, bis mein Körper die Fehlgeburt von selbst beendet? 
  • Möchte ich die kleine Geburt mit Medikamenten einleiten?
  • Möchte ich die Schwangerschaft körperlich schnell beenden und möglichst wenig mitbekommen und eine Kürettage (Ausschabung) machen lassen? 

Je nachdem, wie Deine persönliche Situation ist, kannst Du nicht frei entscheiden. Meistens kannst Du jedoch mitentscheiden, auch wenn Dein:e Ärztin/Arzt ein Vorgehen empfiehlt. Solange es Dir körperlich gut geht, Deine Blutwerte in Ordnung sind und Du kein Fieber hast, gibt es in der Regel keinen Grund, dass Du sofort eine Entscheidung treffen musst. Sprich hierzu unbedingt mit Deinem Arzt/Deiner Ärztin, denn nur er oder sie kennt Deine Situation und kann sie medizinisch beurteilen.

Manche Frauen finden den Gedanken, ein totes Kind im eigenen Körper zu haben unheimlich oder ekeln sich. Andere möchten nach einer Fehlgeburt möglichst schnell wieder versuchen, schwanger zu werden. Eine schnelle Möglichkeit, die Fehlgeburt körperlich zu beenden, ist die Ausschabung, das Fachwort dafür lautet Kürettage. . Es ist aber genauso ok, sich nach der Diagnose Zeit für sich und die Verabschiedung vom Baby zu nehmen. Oft wünschen sich einen natürlichen Abgang als Teil des Trauerprozesses. Anderen macht eine natürliche Geburt Angst und sie möchten die Eindrücke der natürlichen Geburt mit einer Kürettage umgehen möchten. Wenn es keine medizinischen Gründe gibt, die für die eine oder gegen eine andere Methode sprechen, dann kannst Du Dir bei der Entscheidung Zeit lassen, mit dem Partner/der Partnerin sprechen oder sich von Arzt oder Ärztin oder einer Hebamme beraten lassen. 

Bei einer natürlichen kleinen Geburt wird in Absprache und engmaschiger Kontrolle mit dem Arzt oder der Ärztin abgewartet, bis der Körper die beendete Schwangerschaft selbstständig verabschiedet. Hat die Blutung bereits eingesetzt, ist dies ein Zeichen, dass der Körper die kleine Geburt selbstständig in Gang setzt. Dieser Prozess kann teilweise sehr lange (bis zu 12 Wochen) dauern und sollte zusätzlich regelmäßig mit einem Ultraschall und Kontrollen des Schwangerschaftshormons ß-HCG im Blut beobachtet werden. Wird die kleine Geburt längere Zeit nicht natürlich vom Körper angestoßen oder möchte die Frau nicht länger warten, kann medikamentös nachgeholfen werden. 

Die medikamentöse Einleitung kann nach einem aufklärenden Gespräch über mögliche Nebenwirkungen und gemeinsamen Abwägen mit Arzt oder Ärztin zu Hause gemacht werden. Dabei sollte eine andere Person da sein, falls Du Kreislaufprobleme hast oder viel Blut verlierst. Auch aus psychischer Sicht ist es ratsam, den medikamentösen Abgang nicht alleine durchzustehen. Bitte denke auch daran, dass ich hier in meinem Artikel keine Empfehlung für Einzelfälle geben kann. Ich versuche Dir einen Überblick über die Möglichkeiten zu geben, die Du im Einzelfall mit Deinem betreuenden medizinischen Team besprechen kannst. 

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An wen kann ich mich wenden, wenn mir alles zu viel wird? 

Fehlgeburten werden auch von Hebammen begleitet. Das ist vielen oft nicht bekannt, aber Hebammen sind auch dafür ausgebildet. Sie können zu den verschiedenen Methoden beraten, den körperlichen Rückbildungsprozess nach der kleinen Geburt begleiten und unterstützen, aber auch eine seelische Stütze in einem kleinen Wochenbett darstellen. Auch wenn Du bis zur Diagnose noch keine Hebamme hattest, kannst Du für die Begleitung der kleinen Geburt eine Hebamme ansprechen. Die Kosten hierfür werden auch von der Krankenkasse übernommen. Auch körperlich kann eine Fehlgeburt Dich stark beanspruchen. Manchmal überlagern unsere Gefühle die Wahrnehmung und dann bemerkst Du vielleicht nicht, dass Deine Fehlgeburt Dich auch körperlich beansprucht. Deswegen ist auch nach einer Fehlgeburt ein kleines Wochenbett ratsam.

Auch wir sind bei einer Fehlgeburt für Dich da. Du kannst in unsere Onlinegruppe „Fehlgeburt psychologische Ersthilfe“ oder „Austausch Fehlgeburt“ kommen. Sie werden immer von einer Psychologin, Ärztin oder Kinderwunschberaterin geleitet und Du kannst Dir Rat und Unterstützung für Deine persönliche Situation holen.

Wie komme ich mit meinen Gefühlen klar?

Wenn Du den ersten Schock nach der Diagnose verdaut hast und eine Entscheidung für eine Methode steht, sind Trauer, Wut oder Hilflosigkeit nicht weg. Beim Umgang mit Deinen Gefühlen kann es helfen, wenn Du Dich vor der kleinen Geburt innerlich vom Baby verabschiedest und alle Gedanken aussprichst. Das kannst Du auch gemeinsam mit Deinem Partner/Deiner Partnerin machen. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr dem Baby auch einen Namen geben und es damit ansprechen. Manchen hilft es auch, wenn sie ihre Gedanken und Gefühle in einem Brief aufschreiben. Auch Rituale können helfen, mit der Trauer im Alltag zurechtzukommen. Das kann zum Beispiel eine selbstgestaltete Kerze sein, die morgens und/oder abends angezündet wird. Anderen hilft ein Spaziergang zu einem bestimmten Ort in der Natur oder eine Blume/Busch/Bäumchen für das gestorbene Kind zu pflanzen. Vielleicht hast Du auch eine ganz andere Idee, die Dir/Euch gefällt und hilft. Rituale wie das Anzünden einer Kerze oder das Spazierengehen zu einem bestimmten Ort haben den Vorteil, dass sie ein Anfang und ein Ende haben. Dadurch gibst Du Deinen Gefühlen eine Zeit und einen Platz in Deinem Leben. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass diese Zeit und der Platz begrenzt sind.

Ganz gleich wann, wie oder aus welchem Grund eine frühe Geburt stattgefunden hat und egal ob Du bereits Kinder hast oder nicht, eins steht fest: Jede frühe Geburt verdient Raum für die Gefühle, die dazu gehören. Dabei zählt einzig und allein Dein persönliches Verlusterleben. Das sollte auch nicht mit anderen Erfahrungen verglichen werden. Jede:r Betroffene hat das Recht, die Verlusterfahrung auf eigene Art zu betrauern und auszudrücken sowie auf Wunsch Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Komm in unsere Onlinegruppen „Fehlgeburt psychologische Ersthilfe“ oder „Austausch Fehlgeburt“ und hol Dir Unterstützung von Fachkräften und tausch Dich mit anderen aus, die auch eine Fehlgeburt hatten.

Du hattest eine Fehlgeburt? Hier lang für gesicherte Infos, Kraft und neue Hoffnung.

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Den Alltag nach einer Fehlgeburt zu schaffen, ist für viele schwer. Wem soll ich davon erzählen? Wie viel will ich erzählen? Und wie geht das überhaupt?

Wie kann ich in meinem Umfeld mit der Fehlgeburt umgehen?

Rückblickend sagen viele, dass es wichtig und hilfreich für sie war, mit anderen über ihre Fehlgeburt zu sprechen. Das zu lesen ist leicht, darüber zu sprechen viel schwieriger. Vielleicht hast Du Sorgen, dass Du dabei anfängst zu weinen und das willst Du nicht. Vielleicht weißt Du aber auch nicht, wie Du von Deiner Fehlgeburt erzählen sollst oder befürchtest verletzende Kommentare wie „Das klappt bestimmt nochmal“ oder „Schau nach vorne“ oder „Ihr seid doch noch so jung“. In der Regel meinen die anderen es gut und wollen etwas Hilfreiches sagen. Den meisten fehlt einfach die Erfahrung im Umgang mit Fehlgeburten – es ist halt leider immer noch ein Tabuthema. Irgendwie schwingt beim Thema Fehlgeburt immer auch mit, dass die Schwangere etwas falsch gemacht hat und die meisten Menschen wissen nicht oder nicht viel über Ursachen und Häufigkeit von Fehlgeburten. Und in ihrer Ratlosigkeit sagen sie dann so solche Sätze wie oben. Böse gemeint ist das nicht.

All diese wenig hilfreichen und oft verletzenden Reaktionen sind wie eine Hürde und vielleicht fragst Du Dich, ob Du diese Hürde überspringen willst. Häufig ist es aber so, dass andere sich auch öffnen, wenn Du Dich öffnest. Es kann sein, dass andere von ihren schwierigen Erfahrungen berichten, wenn Du es tust. Vielleicht haben sie oder Menschen in ihrem Umfeld auch eine Fehlgeburt erlebt und erzählen Dir jetzt davon. Das soll nicht heißen, dass Du von Deiner Fehlgeburt erzählen „musst“. Oft spüren aber grade Menschen, die Dir näher stehen, dass „etwas passiert ist“. Manche sprechen Dich vielleicht auch an und fragen, ob „alles“ ok ist oder wie es Dir geht. Sich zu öffnen ist eine Chance. Wenn es sich für Dich gut anfühlt, dann kannst Du sie nutzen.

Die Chance liegt darin, dass Du die Kommunikation steuerst, wenn Du Dich öffnest. Du entscheidest, wann und mit wem Du darüber reden willst. Und Du kannst vorher überlegen, wie viel Du erzählen willst und wie Du es sagen möchtest. Und vor allem kannst Du sagen, was Du von den anderen brauchst und wie sie sich Dir gegenüber verhalten sollen. Das ist ein großer Vorteil. Wenn Du Dich jetzt fragst, was Du genau sagen sollst, dann kommt jetzt ein Beispiel. Sieh es als Anregung und ändere es so ab, dass es zu Dir passt. Dann fühlst Du Dich damit wohler und es kommt Dir leichter über die Lippen. Hier also kommt das Beispiel:

„Wir haben leider unser Baby verloren. Es macht für uns keinen Unterschied, wie groß es war. Wir sind wirklich sehr traurig und es fällt uns schwer, damit klarzukommen. Was ich jetzt brauche, ist, dass Du für mich da bist, mich in den Arm nimmst und mir einfach nur zuhörst. Wenn ich Deine Hilfe oder Deinen Rat brauche, dann sage ich Dir das. Wenn wir uns sehen, können wir über die Fehlgeburt reden und Du kannst mich fragen, wie es mir geht. Falls es mir mal zu viel wird und ich nicht darüber sprechen möchte, würde ich Dir das auch einfach sagen – bitte sei mir dann nicht böse. Die Fehlgeburt gehört zu unserem Leben und ich will nicht, dass das verschwiegen wird und bei jedem Treffen zwischen uns steht.“

Du kannst Deinen Text auch vorher zu Hause vor dem Spiegel üben. Nicht, damit er besser klingt, sondern um Dein eigenes Unwohlsein einzufangen. Wenn Du Deinen Text ein paar Mal laut ausgesprochen hast, dann fällt es Dir sehr wahrscheinlich auch beim Live-Treffen leichter, ihn auch zu sagen. Wenn Du das Gefühl hast, dass z. B. mit einem bestimmten Freund, der aber davon wissen soll, so ein Gespräch bei einem persönlichen Treffen zu schwierig für Dich ist, dann kannst Du auch eine Nachricht (z. B. per WhatsApp) schicken.

Eine schwierigere Gesprächssituation ist, wenn Freundinnen schwanger sind. Sie bekommt ein Kind und Du hast Deins verloren. Das für Eure Freundschaft eine Herausforderung sein, weil jede von Euch in einer sehr emotionalen Lebenssituationen ist. Allerdings sind die Gefühle ziemlich gegensätzlich. Wenn man trauert, kann man sich nicht für andere freuen. Die Schwangerschaft Deiner Freundin wird hoffentlich bleiben und das können noch einige Monate sein. Vielleicht hat Deine Freundin auch schon Kinder und es fällt Dir schwer, sie – auch ohne Kinder – zu treffen. Kinder sind oft ein zentrales Gesprächsthema bei Eltern. Auch in diesen beiden Fällen kann es hilfreich sein, die Situation ganz offen zu sprechen. Das kannst Du zum Beispiel so machen:

„Unsere Freundschaft ist mir sehr wichtig. Wegen meiner Fehlgeburt fällt mir der Umgang mit Dir, Deinen Kindern/ Deiner aktuellen Schwangerschaft momentan sehr schwer. Ich hoffe, Du kannst meine Situation verstehen. Ich brauche im Moment Zeit für mich und melde ich wieder bei Dir, wenn ich dazu bereit bin.“

Wenn Du Dir Sorgen machst, wie andere reagieren und ob nicht doch etwas verletzendes gesagt wird, dann kannst Du ihnen sozusagen vorbeugend eine Anleitung geben. Wir haben eine für Dich vorbereitet und Du findest sie hier . Um nicht zu viel versprechen: Eine Garantie für das Wegbleiben von unangemessenen und verletzenden Kommentaren können wir Dir leider nicht geben. Aber wenn Du Dir einen Ruck gibst und die Menschen in Deinem Umfeld sanft anleitest, wirst Du wahrscheinlich eher viele gute und hilfreiche Rückmeldungen bekommen.

Nachdem wir jetzt über Dein näheres Umfeld gesprochen haben, geht es im nächsten Abschnitt darum, wie Du am Arbeitsplatz mit Deiner Fehlgeburt umgehen kannst.

Wie kann ich auf der Arbeit mit meiner Fehlgeburt umgehen?

Vorab: Nach einer Fehlgeburt darfst Du Dich krankschreiben lassen. Das gilt natürlich auch für den Partner oder die Partnerin, für die eine Fehlgeburt auch sehr belastend sein kann. Falls die Krankmeldung sich für Dich nicht richtig anfühlt, kannst Du auch ein paar Tage Urlaub nehmen, um in Ruhe zu trauern. Hab dabei aber im Hinterkopf, dass Du eigentlich keinen Urlaub, also Erholung, hast. Trotzdem kann das eine gute Option sein, die Dir kurzfristig hilft. Du kannst nach einer Fehlgeburt – wie nach einer Geburt – ein kleines Wochenbett einhalten. Das Wochenbett soll nach einer (Fehl-)Geburt bewusst einen Raum für die Regeneration und das Ankommen in der neuen Lebenssituation schaffen. Auch Hebammen sind nach einer Fehlgeburt für Dich als Ansprechpartner da.

Arbeiten zu gehen gibt dem Tag aber auch Struktur und füllt ihn. Das kann auch hilfreich und entlastend sein, wenn Du abgelenkt bist und Dein Kopf sich mit anderen Themen beschäftigt. Dann ist die Arbeit eine Kraftquelle, die Dir Halt und Sicherheit in einer schwierigen Situation gibt. Ob das bei Dir so ist, kannst Du selbst am besten einschätzen. Du kannst es auch einen Tag ausprobieren. Wenn Du merkst, dass Du Dich nur schlecht auf die Arbeit konzentrieren kannst, dann ist eine Zeit lang nicht arbeiten zu gehen wahrscheinlich die bessere Option. Menschen sind unterschiedlich und gehen unterschiedlich mit schwierigen Situationen um. Deswegen kann auch der Zeitpunkt unterschiedlich sein, wann man wieder arbeiten kann und auch will. Das ist völlig in Ordnung.

Ein anderer Punkt ist, ob Du auf der Arbeit erzählst, dass Du eine Fehlgeburt hattest. Manche finden es entlastend, wenn sie es sagen. Denn wie in Deinem privaten Umfeld werden Dir wahrscheinlich auch an Deinem Arbeitsplatz manche Menschen näherstehen und merken, dass Du „anders“ bist als sonst. In einer emotional schwierigen Situation angesprochen zu werden, kann „der Tropfen zu viel“ sein. Gefühle zu kontrollieren ist anstrengend. Manchmal können dann scheinbar harmlose Frage wie „Was ist los mit Dir? Du siehst aus, als würde es Dir nicht gutgehen“ bewirken, dass Deine Gefühle dann aus Dir „herausbrechen“. Das empfinden viele als unangenehm (auf beiden Seiten). Wenn Du von Dir aus von Deiner Fehlgeburt erzählst, hast Du auch hier die Chance zu sagen, wie Kolleg:innen oder Führungskräfte mit Dir umgehen sollen. Wie viel Du erzählst, entscheidest Du natürlich auch selbst. Zum Beispiel so:

„Ich hatte leider eine Fehlgeburt und bin sehr traurig. Zu arbeiten gibt mir Halt und lenkt mich etwas ab und das tut mir grade gut. Ich möchte nicht mehr darüber erzählen und hoffe, dass Du/Ihr das versteht.“

Wenn Du nicht sagen möchtest, dass Du eine Fehlgeburt hattest, kannst Du auch so etwas sagen wie „Ich hatte leider ein nicht so schönes medizinisches Thema. Mir geht es soweit körperlich ok, aber ich brauche noch etwas Zeit, um das zu verarbeiten. Die Arbeit gibt mir Halt und lenkt mich ab und das hilft mir, mit der Situation klarzukommen.“

 Ein letzter Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist Deine Beziehung. Es erscheint vielleicht vielen selbstverständlich, dass in einer Beziehung über alles gesprochen werden kann. Das wird allerdings schwieriger, wenn eine Situation beide emotional stark betrifft und belastet und eine Fehlgeburt ist so eine Situation.

Wie kann ich in meiner Beziehung mit der Fehlgeburt umgehen?

Menschen gehen mit intensiven Gefühlen unterschiedlich um. Das heißt, wir trauern auch unterschiedlich. Es ist wichtig, dass Du Dir das bewusst machst. Denn vielleicht sieht es für Dich so aus, als würde Dein:e Partner:in nicht gleichermaßen stark trauern wie Du. Gerade wenn Du diesen Eindruck hast, ist es wichtig, dass Du mit Deinem Partner/Deiner Partnerin sprichst. Das geht am besten, wenn Du in Ich-Botschaften sprichst. Ich-Botschaften sagen, wie Du etwas empfindest, wie es Dir geht und wie Dein Eindruck ist.

Das ist nicht egoistisch, sondern sendet eine wichtige Botschaft an den Anderen, und zwar: So kommt es bei mir an und es kann sein, dass Du es so nicht „abgesendet“ hast. Das ist eine wichtige Grundlage für ein Gespräch, in dem jede:r sagen kann, wie es ihm geht ohne dafür „bewertet“ zu werden. Es könnte auch sein, dass Dein:e Partner:in merkt, dass es Dir schlecht geht und versucht „stark zu sein“, um Dir zu helfen. Das könnte dann vielleicht den Anschein erwecken, dass er/sie vielleicht nicht so sehr trauert und nicht so stark betroffen ist. Du könntest z. B. so etwas sagen wie:

„Du, ich bin so traurig, weil wir unser Baby verloren haben. Ich habe den ganzen Tag so einen richtigen Kloß im Hals und ich fühle mich leer und furchtbar. Ich weiß nicht, ob Du es merkst, aber ich muss öfter am Tag und auch nachts immer wieder weinen. Wenn wir zwei zusammen sind, habe ich das Gefühl, dass es Dir nicht so viel ausmacht wie mir.“

Auch so einen Textbaustein kannst Du in Ruhe erstmal alleine üben. Dann kommt er Dir im Gespräch mit Deinem Lieblingsmenschen vermutlich etwas leichter über die Zunge.

Wenn Du merkst, dass es schwierig wird, mit Deinem Partner/Deiner Partnerin über Eure Gefühle zu sprechen, dann könnt Ihr Euch auch Unterstützung suchen, zum Beispiel zusammen zur Paarberatung oder Trauerbegleitung gehen. Traut Euch das ruhig, auch wenn fremde Hilfe anzunehmen in sehr persönlichen Situationen etwas schwerfällt.

Welche Hilfe wir Dir noch anbieten können:

Wenn Du Dir noch mehr Unterstützung wünschst, kannst Du in unsere Onlinegruppe „Fehlgeburt psychologische Ersthilfe“ kommen. Sie wird von einer Psychologin geleitet und Du kannst ihr Deine Fragen stellen und bekommst Unterstützung. Sie findet donnerstags um 18 Uhr statt und Du musst Dich weder registrieren noch anmelden.

Wenn Du möchtest, kannst Du uns auch eine E-Mail an hello@mentalstark.online schreiben und wir machen einen Lotsendienst für Dich. Lotsendienst heißt, Du schickst uns Deine Postleitzahl und einen kurzen Satz, welche Unterstützung Du suchst. Wir schauen dann, welche Anlaufstellen es in Deiner Nähe gibt und schicken Dir eine Antwortmail mit einer Anleitung, wo Du bei Dir in der Nähe Beratungsmöglichkeiten findest.