Meine Freundin Tamara ist schon viel zu früh in die Wechseljahre gekommen – und zwar mit Anfang 30. Jetzt wird sie nicht schwanger, obwohl sie sich das so sehr wünscht. Sie hat einfach keine befruchtungsfähigen Eizellen mehr. Tamara bräuchte eine Eizellspende, um schwanger zu werden. Medizinisch gesehen ist das möglich, in Deutschland allerdings verboten. Läge das „Problem“ bei Tamaras Freund, könnte ihnen mit einer Samenspende geholfen werden. Und zwar ganz legal und von vorne bis hinten solide gesetzlich geregelt inklusive der Wahrung des "Rechts auf Kenntnis der Herkunft des entstehenden Kindes“, so wie es die Vereinten Nationen (UN) vorsieht. Da stellt sich die Frage: Lässt sich eine Eizellspende nicht genauso regeln?

Und warum ist eine Eizellspende in Deutschland eigentlich verboten?

Die Eizellspende wurde vom damaligen Gesetzgeber hauptsächlich wegen der gespaltenen Mutterschaft verboten. Es wurde vermutet, dass ein Kind in seiner psychischen Entwicklung dadurch Schwierigkeiten habe. Bei der Samenspende müsste dieses Argument („gespaltene Vaterschaft“) eigentlich gleichermaßen gelten, ebenso bei der Adoption („gespaltene Elternschaft“). Hier zeigt die Forschung jedoch, dass dies kaum Probleme verursacht. Zumindest nicht dann, wenn die Kinder früh darüber aufgeklärt werden und die Möglichkeit haben, zu wissen, wer ihr biologischer Vater ist1. Das Argument der gespaltenen Mutterschaft kann also nicht mehr als Haupthindernis gesehen werden.

Trotzdem ist eine Eizellspende damit nicht problemlos und nicht mit einer Samenspende gleichzusetzen. Tatsächlich gibt es andere Aspekte, die schwierig sind. Und das sind folgende:

  • Fremde Gene im Doppelpack: Eizelle und Samen sind beide genetisch fremd für die Empfängerin
  • Höhere gesundheitliche Risiken als bei einer Samenspende
  • Kommerzialisierung: Eizellabgabe als Geldquelle für die abgebende Frau

Das klingt erstmal nach hohen Hürden. Aber tatsächlich müssten nicht unbedingt Eizellen extra für eine Eizellspende entnommen werden. In Kinderwunschbehandlungen und beim Social Freezing lassen sich Frauen Eizellen entnehmen und einfrieren. Nicht immer brauchen sie die entnommenen Eizellen alle für sich selbst: Manche bleiben übrig aber die meisten (insbesondere beim Social Freezing) werden nie abgerufen (die Abrufrate liegt hier bei ca. 12 Prozent und es muss beobachtet werden, wie sich das über die Jahre entwickelt. Darauf komme ich später nochmal zurück). Die meisten eingefrorenen Eizellen bleiben also bis Vertragsende unberührt Danach werden sie aufgetaut und weggeworfen. Die gesundheitlichen Risiken der Entnahme sind die Frauen aber schon eingegangen – nur eben für sich selbst. Aber jetzt schauen wir uns die tatsächlichen Schwierigkeiten einer Eizellspende etwas genauer an.

Eizellspende: Ein komplett fremder genetischer Bauplan – geht das gut?

Wenn eine Schwangerschaft entsteht, vermischt sich Erbgut. Die Eizelle verschmilzt mit der Samenzelle und dabei wird das fremde Genmaterial des Vaters aufgenommen. Das ist ganz normal und das weibliche „körperliche Programm“ scheint hierfür ganz gut ausgestattet zu sein, sonst hätte die Menschheit auch ein ernsthaftes Problem mit dem Überleben. Schwieriger könnte es sein, wenn nicht nur eine Hälfte des genetischen Codes fremd ist, sondern der gesamte – also auch der in der Eizelle.

Das ist allerdings auch bei einer Embryonenspende der Fall. Auch hier sind Samen und Eizelle für die Empfängerin fremd. Trotzdem wurde die Embryonenspende in Deutschland gesetzlich geregelt und erlaubt. Bei einer Embryonenspende dürfte Tamara also einen komplett fremden Bauplan in sich aufnehmen, aber nicht mit einer Eizellspende. Das ist für sie schwer nachzuvollziehen, vor allem aber für ihren Freund, der bei einer Eizellspende leiblicher Vater sein könnte – bei einer Embryonenspende aber nicht.

Der komplett genetisch fremde Bauplan ist nicht das einzige medizinische Risiko bei einer Eizellspende. Die abgebende Frau muss eine Hormonstimulation machen, damit möglichst viele Eizellen in einem Zyklus heranreifen. Hier hat sie ein Risiko für eine Überstimulation. Außerdem ist die Entnahme der Eizellen ein operativer Eingriff unter Vollnarkose. Ob sie diese Risiken eingehen will, sollte die abgebenden Frau selbst entscheiden dürfen – so wie bei anderen Behandlungen mit Risiken auch. Aber auch die Empfängerin der Eizelle nimmt Risiken in Kauf – und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für das ungeborene Kind.

Denn Fakt ist: Eine Eizellspende birgt mehr gesundheitliche Risiken als eine Samenspende

Bei jeder Behandlung klären Ärzt:innen über Risiken und mögliche Komplikationen auf. Schließlich muss jede:r selbst entscheiden, ob er oder sie die Risiken eingehen möchte. Das ist bei notwendigen Eingriffen so, aber auch bei Behandlungen „auf Wunsch“, wie eine Brustvergrößerung. Hier kann sich beispielsweise das Gewebe um die eingesetzten Silikonkissen entzünden. Dieses Risiko ist ohne eine Brustvergrößerungs-OP Null. Trotzdem sind Brustvergrößerungen deswegen nicht verboten. Hier darf eine Frau nach Aufklärung selbst entscheiden, ob sie diese Risiken eingehen möchte. Eine Eizellspende ist auch eine Behandlung auf Wunsch und hat erhöhte Risiken für Komplikationen. Trotzdem ist sie im Gegensatz zu einer Brustvergrößerung verboten.

Jetzt unterscheiden sich Wunschbehandlungen wie das Beispiel Brustvergrößerung und eine Eizellspende in dem Punkt, wen die Risiken betreffen. Bei einer Brustvergrößerung ist das nur die Frau selbst. Bei einer Eizellspende betreffen die Risiken aber auch das ungeborene Kind. Hier entscheidet die Wunschmutter also über die Risiken, deren mögliche Folgen das Kind trägt. Das ist aber auch bei anderen medizinischen Entscheidungen der Fall, zum Beispiel bei der Entscheidung zu einem Double-Embryo-Transfer mit Zwillingsrisiko. In Deutschland ist es erlaubt einen, zwei oder sogar 3 Embryonen transferieren zu lassen. Beim Double-Embryo-Transfer gibt es eine 20-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit für Zwillinge. Die wiederum kommen zu 80% als Frühchen zur Welt und haben eine Wahrscheinlichkeit für Lebenslange Erkrankungen und Behinderungen. Auch hier entscheiden die Wunscheltern über Risiken, deren Folgen das Kind oder die Kinder tragen.

Welche Risiken hat eine Eizellspende für werdende Mutter und Kind?

Bei einer Eizellspende sind schwangerschaftsbedingte Bluthochdruckerkrankungen häufiger. Das liegt tatsächlich an der Eizellspende selbst und hat nichts damit zu tun, wie alt die Empfängerin der Eizelle ist oder ob sich aus der empfangenen Eizelle eine Mehrlingsschwangerschaft entwickelt. Auch der Eingriff selbst, also das Einsetzen der Eizelle, erhöht dieses Risiko nicht. Das weiß man aus der Vergleichsgruppe von Frauen, denen Embryonen aus eigenen Eizellen eingesetzt werden, also bei einer „normalen“ künstlichen Befruchtung.  Das Problem bei zu hohem Blutdruck in der Schwangerschaft ist nicht nur der erhöhte Blutdruck selbst, sondern er macht auch andere Komplikationen wahrscheinlicher. Und die betreffen nicht nur die Mutter selbst, sondern auch das ungeborene Kind. Es kommt hier durch den zu hohen Blutdruck nicht zu einer direkten „Schädigung“ wie zum Beispiel einer Fehlbildung. Natürlich kann zu hoher Blutdruck in der Schwangerschaft behandelt werden. Allerdings nur symptomatisch, also mit Blutdrucksenkern. Sollte der Bluthochdruck lebensbedrohlich für die Schwangere werden, bleibt meist nur, die Geburt vorzeitig stattfinden zu lassen. Entweder per Einleitung oder per Kaiserschnitt. Je nach Fortschritt der Schwangerschaft kann das auch eine Frühgeburt bedeuten. Welche Folgen die Frühgeburt für das Kind hat, hängt auch stark davon ab, in welcher Schwangerschaftswoche das Kind zur Welt kommt. Es kann sein, dass sich die Frühgeburt „nur“ in einer leichten Entwicklungsverzögerung bemerkbar macht, die sich „rauswächst“. Leider sind bei sehr früh geborenen Kindern sind bestimmte Risiken wie z. B. Hirnblutungen aber deutlich größer und auch die Folgen schwerer.

Meine Freundin Tamara wird allerdings gar nicht erst gefragt, ob sie die Risiken einer Eizellspende eingehen will, um schwanger zu werden. Wenn sie das möchte, muss sie die Eizellspende im Ausland machen. Statistisch gesehen ist es am wahrscheinlichsten, dass Tamara dafür nach Spanien oder Tschechien geht. Allerdings heißt eine Eizellspende im Ausland auch nicht, dass die Eizellen auch aus diesem Land stammen. Eine Kryobank in Spanien könnte zum Beispiel die dort eingesetzten Eizellen auch in Tschechien gekauft haben. Es kommt also darauf an, wo die Eizellen tatsächlich herkommen, wir in dem Land das Lohnniveau ist und wie die gezahlte Aufwandsentschädigung zu dieser Summe im Verhältnis steht. Hier ist nicht auszuschließen, dass junge Frauen in einer schwierigen finanziellen Situation Eizellen abgeben, weil sie das Geld brauchen. Wäre Eizellspende in Deutschland erlaubt, könnten solche Aspekte anders geregelt werden.

Kommerzialisierung: Eizellabgabe als Geldquelle für die abgebende Frau?

Niemand sollte aus finanzieller Not heraus gesundheitliche Risiken auf sich nehmen. Das muss auch unbedingt bei einer geregelten Eizellspende der Fall sein. Trotzdem kann Geld nicht der Grund sein, um Eizellspende generell zu verbieten. Es gibt nur sehr wenige Tätigkeiten oder Situationen, in denen Menschen aus rein altruistischen oder rein finanziellen Motiven handeln. Meistens ist es eine Mischung aus beidem. In vielen anderen schwierigen Bereichen tun Menschen Dinge, weil sie Geld dafür bekommen: Krankenhaustoiletten putzen, einen Tatort reinigen und ähnliches machen Menschen für Geld – weil das für sie in ihrer Situation die beste Option ist. Eine Eizellabgabe kann für eine Frau auch so eine Option sein. Vielleicht eine bessere, als Jobs wie Krankenhaustoiletten zu putzen. Der gesamte Medizin- und Gesundheitsbereich ist bereits kommerzialisiert – Stichwort „Selbstzahlerleistungen“. Warum also sollte eine Frau nicht einen angemessenen Geldbetrag dafür bekommen, dass sie eine Hormonstimulation macht und ihre Eizellen an andere Frauen abgibt? Wie hoch „angemessen“ ist, sollte nicht frei verhandelbar sein, sondern kann geregelt werden. Oder eine Frau könnte einen ideellen Gegenwert wie zum Beispiel ein eigenes Eizellendepot bekommen, indem sie die Hälfte der gewonnenen Zellen abgibt und die Hälfte kostenfrei lagern kann.

Unser Vorschlag: Fangen wir einfach dort an, wo einer Frau schon Eizellen entnommen wurden!

Das ist in zwei Situationen der Fall.

1. nicht abgerufene Social-Freezing-Eizellen

Beim Social Freezing lassen sich Frauen ihre Eizellen entnehmen und für später einfrieren. Die meisten Frauen nutzen ihre eingefrorenen Eizellen dann aber nicht. Nur 12 Prozent der Social-Freezing-Eizellen werden abgerufen. Das ist ziemlich wenig, wenn man bedenkt, dass hier Kosten entstehen, die privat bezahlt werden. Zwei Aspekte schränken die Aussagekraft dieser Zahl ein. Zum einen sind die zu Grunde liegenden Daten von Frauen, die nicht der tatsächlichen Zielgruppe von Social Freezing entsprechen. Ihr Durchschnittsalter ist „zu hoch“. Das bedeutet, dass sich die Abrufrate in Zukunft auch ändern könnte, wenn mehr Frauen jüngere Frauen Social Freezing machen. Bis heute haben viele Frauen über 35 Jahren ihre Eizellen eingefroren. Man könnte argumentieren, dass diese Frauen die Familiengründung schon seit 10 Jahren „vor sich hergeschoben“ haben und deswegen die Abrufrate so gering ist. Erst wenn viele Frauen in jüngerem Alter, also zwischen Mitte 20 und 30 Eizellen eingefroren haben, können wir das Abrufverhalten von Frauen mit Familienwunsch im frühen Erwachsenenalter wirklich beurteilen.

Zum anderen ist denkbar, dass Frauen, die Social Freezing machen, ihr Verhalten bei der Partnerwahl (bewusst oder unbewusst) ändern. Das heißt, sie könnten vielleicht weniger lange auf den passenden Partner warten oder das Thema Kinderwunsch früher in der Partnerschaft ansprechen. Dadurch könnten sie auch früher schwanger werden und die eingefrorenen Eizellen nicht mehr benötigen.

Diese bereits entnommenen Eizellen könnten an Frauen wie Tamara abgegeben oder verkauft werden. Die abgebende Frau hat sich nicht aus finanzieller Not für eine Eizellentnahme entschieden. Sie ist die Risiken der Stimulation und Entnahme eingegangen, weil dies zum damaligen Zeitpunkt ihren Entscheidungsspielraum erweitert hat. Die Zellen haben für sie den Zweck erfüllt und vielleicht ist die Abgabe oder der Verkauf für sie eine bessere Verwendung als das Verwerfen. Verwerfen ist ein labortechnisches Wort und es bedeutet, dass potenziell entwicklungsfähige Eizellen aufgetaut werden und zu Grunde gehen. Es gibt natürlich Frauen, für die eine Weitergabe ihrer Zellen nicht in Frage kommt, aber aktuell steht Frauen diese Entscheidung gar nicht offen. Wenn Frauen diese Entscheidung selbstbestimmt treffen dürften, dann könnte sich die Empfängerin oder das Empfängerpaar an den Kosten der Stimulation oder der Lagerung der Eizellen beteiligen.

2. Überzählige Eizellen aus einer Kinderwunschbehandlung

Auch in einer Kinderwunschbehandlung bleiben manchmal Eizellen übrig. Vielleicht, weil der 7. Versuch endlich geklappt hat oder weil das Paar die Behandlung beendet, obwohl noch Zellen da sind. Auch diese Eizellen könnten meiner Freundin Tamara helfen, schwanger zu werden. Wenn sich in diesen Fällen die Empfängerin an den bereits gezahlten Stimulations- oder Lagerkosten der eingefrorenen Eizellen beteiligt, wäre das ähnlich wie die Aufwandsentschädigung bei der Samenspende.

Deutsche Frauen werden schon heute mit Eizellspenden schwanger – nur die Entgegennahme selbst passiert im Ausland. Dabei entstehen mindestens die gleichen Risiken für Mutter und Kind wie in Deutschland. Heute drängen wir diese Frauen diese Behandlungen im Ausland durchführen zu lassen. Die Standards sind dabei nicht immer dieselben wie in Deutschland, insbesondere was die Beratung angeht. Das muss enden. Wir fordern, dass wir die Eizellspende hier in Deutschland gut regeln und sicher begleiten. Ganz besonders für all die Eizellen, die heute schon buchstäblich im Müll landen.

1 Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e. V (2109). Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung. S. 70